EMDR bei Psychischen Störungen

Die Klassifizierung psychischer Störungen beruht primär auf dem Vergleich von Symptomen, die bei einer großen Gruppe von Personen beobachtet und zu Störungsbildern zusammengefasst wurden. Diese Störungsbilder sind die Basis für eine mögliche Beteiligung der Krankenkassen an den Behandlungskosten: Nur bei sogenannten krankheitswertigen Störungen übernehmen die Kassen einen Teil der Kosten.


Zudem hilft die Zuordnung zu einem Störungsbild bei der Auswahl geeigneter Behandlungsmethoden und -strategien. EMDR kann bei folgenden psychischen Störungen in vielen Fällen eine Linderung bewirken:


Depressive Störungen






 

 

Phobien

Manche Ängste haben klar sichtbare Auslöser, sogenannte Trigger. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden dabei alte Situationen aus der Vergangenheit wieder lebendig. Mit EMDR können wir zum einen mit den alten belastenden Situationen, aber auch mit den aktuellen Triggersituationen arbeiten. So kann EMDR auch dann hilfreich sein, wenn die zugrunde liegende Situation nicht bewusst ist.

Panikstörungen

Panikstörungen tauchen oft das erste Mal in belastenden Lebenssituationen auf. Für die einzelnen Panikattacken allerdings gibt es meist keinen erkennbaren Auslöser. EMDR legt den Fokus auf die belastenden Lebenssituationen, die beim ersten Auftreten der Panikanfälle vorlagen. Zudem können wir auch mit dem Panikzustand selbst und der Angst vor dem erneuten Auftreten arbeiten.

Generalisierte Angststörung

Von einer generalisierten Angststörung spricht man, wenn in verschiedenen Situationen unterschiedliche Ängste auftreten, die scheinbar keine Ursache haben. Die Situationen können sich mit der Zeit immer wieder verändern. Bei der Behandlung mit EMDR lassen sich die zugrundeliegenden Ursachen meist doch finden und deren Auswirkungen gezielt abschwächen.


In manchen Fällen sind die angstmachenden Erlebnisse der Vergangenheit bekannt, aber sie haben über viele Jahrzehnte keine Beschwerden verursacht. Eine aktuelle Belastungssituation kann dann dazu führen, dass der Organismus nicht mehr in der Lage ist, die Angst unter Kontrolle zu halten, sodass plötzlich starke Ängste auftreten. Auch hier nimmt EMDR die alten belastenden Erlebnisse in den Fokus und kann diese häufig auflösen.

Soziale Ängste

In der Therapie erlebe ich immer wieder, dass sich soziale Ängste oft aus einer sich immer weiter entwickelnden Serie von belastenden Erlebnissen ergeben. Der Start liegt oft bei einem Elternteil, welches dem Kind gegenüber aggressiv ist, oder auch bei heftigem Streit oder Gewalt zwischen den Eltern selbst. Hieraus bildet sich oft eine gefühlte Machtlosigkeit, eine Unfähigkeit sich zu wehren. Dazu kommt das Mobbing in der Schule und dann vielleicht noch das Mobbing am Arbeitsplatz. Als Reaktion darauf werden soziale Situationen gemieden. Das Auflösen dieser Serie von Erlebnissen mit EMDR kann oft sehr wirksam sein: Die Abgrenzungsfähigkeit kann gestärkt und die Ängste reduziert bzw. sogar beseitigt werden.

Depression

Symptome wie eine gedrückte Stimmung, der Verlust von Freude, ein fehlender Antrieb, Rückzug, Schlafstörungen und eine deutliche Veränderung des Appetits können Anzeichen einer Depression sein. Depressionen verlaufen oft in Phasen. Die gute Nachricht ist, dass diese Phasen in der Regel von selbst zu einem Ende kommen. Die schlechte Nachricht ist, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass sie wieder kommen.


Je stärker die depressive Symptomatik, desto wichtiger ist es auch, sich psychiatrisch begleiten zu lassen, um das eigene Leben zu schützen. Denn bei schweren Verläufen ist oft kein angemessenes Denken mehr möglich.


Das Ziel der EMDR-Behandlung ist hier, die aktuelle depressive Episode zu verkürzen. Dazu arbeiten wir mit dem Auslöser der aktuellen Episode, z. B. eine Kränkung oder ein Verlusterlebnis. In sehr vielen Fällen bilden Hochstress-Ereignisse der Vergangenheit die Grundlage, dass depressive Episoden überhaupt ausgelöst werden. Als vorbeugende Maßnahme können wir auch daran arbeiten und zusätzlich die noch gespeicherten depressiven Zustände auflösen. So kann ein erneutes Auftreten von depressiven Episoden in vielen Fällen weitgehend vermieden werden.

Anpassungsstörung

Bei einem einschneidenden Erlebnis, wie z. B. dem Tod einer nahestehenden Person, einer plötzlichen Trennung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes, ist eine starke emotionale Reaktion, oft mit sozialem Rückzug die Folge. Es besteht die Notwendigkeit, sich an die neue Situation anzupassen.


EMDR kann hier helfen, das belastende Erlebnis zu verarbeiten.

Posttraumatische Belastungsstörung – PTBS

Traumatische Erlebnisse können unterschiedliche schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Eine dieser Traumafolgestörungen ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Sie ist durch ein Wiedererleben oder anhaltende Erinnerungen z. B. Flashbacks und/oder Alpträume an das traumatische Erlebnis gekennzeichnet. Dazu kommt häufig, dass Umstände, die an das Erlebnis erinnern könnten, vermieden werden. Es besteht entweder eine Unfähigkeit sich an das Ereignis zu erinnern oder eine anhaltende Wachsamkeit und Erregung. In manchen Fällen auch beides gleichzeitig.


EMDR wurde ursprünglich für die PTBS entwickelt und erforscht. Vor allem arbeiten wir in diesem Zusammenhang mit dem belastenden Ereignis, den Triggern und evtl. vorhanden belastenden Zukunftsvorstellungen.

Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung

Diese Diagnose wurde erst vor Kurzem in die Klassifikationssysteme aufgenommen. Der wesentliche Unterschied zur einfachen PTBS liegt in der großen Schwere der Auswirkungen, da es sich um hoch belastende Erlebnisse der Vergangenheit handelt: Diese Ereignisse passierten im Kindesalter, haben wiederholt stattgefunden und wurden von nahestehenden Personen verursacht. Auch in diesem Fall können wir mit EMDR die Beschwerden häufig abmildern.

Dissoziative Störungen

Durch hochbelastende Erlebnisse kann es einerseits dazu kommen, dass ganze Erinnerungen, Gefühle zu Erinnerungen oder die Bedeutung von Erlebnissen nicht mehr zugänglich sind. Dies ist ein wertvoller Schutzmechanismus, der ein Erlebnis erträglich macht. Allerdings können diese Mechanismen in der Gegenwart Problemen verursachen.


Zudem führt eine extreme psychische Belastung manchmal dazu, dass sich innere Anteile, innere Kritiker, oft innere Kinder bilden. Diese Anteile können sich verselbstständigen und in der Gegenwart noch auf das frühere Belastungsereignis reagieren – was dann zur Gegenwart natürlich nicht mehr passt.


Hier kann EMDR kombiniert mit Ansätzen aus der Ego State Therapie der therapeutische Weg sein.


Bei noch stärkerer Belastung können sich voneinander unabhängige Persönlichkeiten bilden. Hier spricht man von der Dissoziativen Identitätsstörung DIS. Auch hier ist die therapeutische Arbeit mit EMDR möglich.

Derealisation / Depersonalisation

Derealisation bzw. Depersonalisation bedeutet, dass die Umwelt oder der eigene Körper verändert wahrgenommen wird. Meistens werden sie als irgendwie irreal, weit weg oder nicht mehr greifbar beschrieben. Eine solche Wahrnehmungsverzerrung kann ein Symptom von Hochstess-Ereignissen sein. Sie kann auch als Folge von Substanzmissbrauch oder Drogenkonsum auftreten.


Mit EMDR können wir gezielt mit den belastenden Erlebnissen arbeiten und damit die Häufigkeit der Derealisations- bzw. Depersonalisationszustände verringern.

Borderlinestörung

Hohe Impulsivität, ein sehr negatives Selbstbild, Schwierigkeiten soziale Beziehungen aufrecht zu halten, Selbstverletzung etc. sind typische Symptomatiken.


Meist ist eine Traumageschichte, oft mit engen Bezugspersonen, in die Entstehung involviert. Bei der Borderlinestörung handelt sich nicht um eine unveränderliche Charaktereigenschaft der Person, sondern um starke emotionale Reaktionen auf Trigger, die aus dem Inneren oder von außen kommen können und in belastenden Erlebnissen begründet sind. Daher kann auch hier die Arbeit mit EMDR ein hilfreicher therapeutischer Ansatz sein. Wir arbeiten mit Triggern, belastenden Erfahrungen und belastenden dysfunktionalen Überzeugungen wie „ich bin an allem schuld“, „ich bin nicht liebenswert“ etc.

Narzisstische Störung

Bei dieser Störung steht der Selbstwert stakt im Vordergrund. Die Entstehung hängt oft mit der Interaktion zwischen den Eltern und dem Kind zusammen, die ein nicht angemessenes hyperpositives Selbstbild im Kind erzeugte. Meist wurden auch Konflikte des Kindes mit seiner Umwelt von den Eltern mit nicht der Realität entsprechenden Theorien erklärt. Das Kind musste nun immer stärkere Muster und Schutzstrategien entwickeln, um mit dem inneren Widerspruch zwischen den gebildeten Überzeugungen und den realen Erfahrungen zurecht zu kommen.


Bei der Arbeit mit EMDR geht es dann darum, die belastenden Situationen der Vergangenheit zu verarbeiten, verzerrte Überzeugungen aufzulösen und diese in funktionale zu überführen.

Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung – ADHS und ADS

Diese Diagnose kommt aus dem Spektrum der Neurodiversität, was man mit „in gewissen Aspekten anders als die meisten sein“ übersetzten könnte.


Die Ursachen sind dafür sind noch nicht endgültig erforscht. Traumatische Ereignisse könnten auch hier eine Rolle spielen.


Umgekehrt führt das Anderssein im Laufe des Lebens oft zu Unverständnis bei anderen Menschen und kann viele Hochstress-Situationen zur Folge haben. Beispiele wären hierfür eine generelle Überforderung oder Mobbing in der Schule.


Die Symptomatiken von ADHS bzw. ADS überschneiden sich häufig mit denen von Traumafolgestörungen. So kann auch hier eine traumatherapeutische Aufarbeitung mit EMDR sehr lohnenswert sein, um den emotionalen Zustand zu verbessern, Triggersituationen zu entschärfen und Blockaden aus dem Weg zu räumen.


Ein Teil der Symptomatik bleibt aber oft unveränderlich. Für viele Betroffene ist der Weg über den Psychiater und die Einnahme von entsprechenden Medikamenten im positivsten Sinne lebensverändernd.


Zusätzlich ist es für viele Menschen sehr wertvoll, sich bestimmte Strategien wie To-Do-Listen, automatisierte Erinnerungsfunktionen am Handy oder eine klare Tagesstruktur anzueignen, um manche Lebenssituationen besser bewältigen zu können.

Körperdysmorphe Störung

Hierbei wird der eigene Körper verzerrt wahrgenommen und abgelehnt. Manchmal führen Ähnlichkeiten mit anderen Personen, die aus verschiedenen Gründen abgelehnt werden, zu einer Ablehnung der eigenen äußeren Erscheinung. Oft liegen auch Beschämungen des eigenen Körpers durch andere Personen als belastende Erlebnisse dahinter.


Ich habe schon miterleben dürfen, wie sich in EMDR-Prozessen der Blick auf sich selbst zurechtrückte oder wie sich die verschmolzenen Bilder von sich selbst und der abgelehnten Person trennten und unterscheidbar wurden. Am Ende der Prozesse konnten die Klienten und Klientinnen sich selbst besser akzeptieren und mit sich selbst im Reine sein.

Zwänge

Zwänge sind häufig ein Versuch, einem möglichen Kontrollverlust vorzubeugen. Oft liegen in der Lebensgeschichte ein oder mehrere traumatische Erlebnisse mit erlebtem Kontrollverlust vor. EMDR setzt hier an, die noch belastenden Vorerfahrungen zu verarbeiten, um der Problematik die Grundlage zu entziehen.


Manchmal können auch vorgestellte oder reale Konfrontationen mit gefühlt bedrohlichen Auslösern ein notwendiger Teil der Therapie sein.